Schattenjagd by Wassermann Kerstin

Autor:Wassermann, Kerstin [Wassermann, Kerstin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Social Media, spannend, Facebook, Spannung, Hamburg, Krimi, Thriller
Herausgeber: edition elibresca
veröffentlicht: 2014-04-29T22:00:00+00:00

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Es dämmert schon, als ich die Treppe zu meiner Wohnung hochsteige.

Immer noch fühle ich mich wie betäubt. Mehr als drei Stunden bin ich jetzt ziellos in der Gegend herumgelaufen, ohne dass ich auch nur einen Meter des Weges bewusst wahrgenommen hätte. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich mich nicht hoffnungslos verirrt habe.

Nachdem ich das Foto von Kai Siewers gesehen habe, musste ich erst mal raus aus der Wohnung. Ich brauchte Luft und Bewegung – und Zeit zum Nachdenken.

Während ich geistesabwesend durch die Straßen der Hamburger Hafencity geirrt bin, hat sich in meinem Kopf nach und nach ein Bild zusammengesetzt.

Kai Siewers wurde des Mordes an Merit Kemmer verdächtigt. Nach der Beweislage hätte die Polizei ihn eigentlich sofort verhaften müssen, aber irgendwie hatte er es geschafft, sich abzusetzen und unterzutauchen, bevor sie ihn geschnappt hatten. Wahrscheinlich war direkt ins Ausland geflüchtet. Eventuell hatte er sich sogar durch mehrere Länder durchgeschlagen, bis er in Thailand gelandet war. Dort hatte er Martin Hembroch kennengelernt und eine Zeit lang bei ihm gewohnt. Vielleicht hatte Hembroch ihm seinen Pass überlassen, weil er sowieso nicht mehr nach Deutschland zurückkommen wollte. Möglicherweise hatte Kai ihm seine Papiere aber auch einfach gestohlen. Damit war er dann nach Hamburg gekommen, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Mit mir – und ohne seine schreckliche Vergangenheit.

Aber dann hatte jemand ihn aufgespürt. Jemand, der ihm die Nachricht über Facebook geschickt hatte.

Glückwunsch zum Jahrestag. Wir sehen uns in der Hölle, Arschloch.

Ich überlege angestrengt. Konnte das vielleicht der echte Martin Hembroch gewesen sein, der doch nach Deutschland zurückgekehrt war, weil er wegen seines Hirntumors nichts mehr zu verlieren hatte? Wusste er von dem Mord an Merit? Vielleicht hatte Kai ihm ja alles erzählt.

Ich spüre, wie ich fröstele.

Hat Kai Martin Hembroch in dem Motel in Frankfurt erschlagen, damit seine falsche Identität nicht herauskommt? Und hat er sich dann auch noch diesen Gallmann vorgeknöpft, der dicht auf seiner Spur gewesen ist?

Nein, auf keinen Fall!

Alles in mir sträubt sich dagegen, so etwas zu glauben.

Ich schließe die Haustür auf, gehe aber nicht nach oben in meine Wohnung. Mir ist schwindlig, und für ein paar Minuten setze ich mich auf die Treppe. Als ich vor ein paar Tagen nach dem Telefonat mit Sina gedacht habe, mein Freund hätte mit seinem Drogenschmuggel den Tod eines Mädchens verursacht, hat mich das wirklich erschüttert. Ich bin gleichzeitig schockiert und verunsichert gewesen, aber ich habe es für möglich gehalten. Ich weiß, dass Menschen manchmal in etwas hineinrutschen, das sie eigentlich gar nicht wollen. Etwas, das sich irgendwann einfach verselbstständigt und einen überrollt – und manchmal andere mit ins Unglück stürzt. Das ist traurig, aber es kommt vor.

Doch jetzt …

Immer wieder erscheint das Bild von Merits zerschnittenem Gesicht in meinem Kopf, die klaffenden Wunden in der porzellanweißen Haut. Ich werde es einfach nicht los, so sehr ich auch versuchte, es abzuschütteln. Als ich die Zeitungsberichte und die Ermittlungsakte gelesen habe, war ich davon überzeugt, dass dieser Siewers der Täter sein musste. Es sprach alles gegen ihn, und eindeutiger hätten die Spuren kaum sein können, zumal von einem anderen Verdächtigen ja nicht einmal die Rede war.

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